Hinter der Kamera gefangen - Edda Schönherz berichtet an der Eduard-Stieler-Schule vom DDR-Alltag

In einer Schülerlesung gab Edda Schönherz an der Eduard-Stieler-Schule vor Schülerinnen und Schülern des Beruflichen Gymnasiums und Auszubildenden der chemisch-technischen Assistenten einen eindrucksvollen Einblick in das Leben in der ehemaligen DDR.

Auf Einladung der Schule war die ehemalige Fernsehsprecherin Edda Schönherz, die das DDR-Farbfernsehen eröffnete, als Zeitzeugin zu Gast, um von ihrem bewegten Leben und ihrer politischen Verfolgung durch den DDR-Unrechtsstaat zu berichten. Nach der herzlichen Begrüßung durch die Schulleiterin Isabel Herbert, die durch ihre eigene Erinnerung als Mädchen gerade an die Wiedervereinigung einen Bezug zur DDR und die Bedeutsamkeit der Auseinandersetzung mit der deutsch-deutschen Geschichte präsentierte, stellte sich Edda Schönherz dem jungen, gespannten Publikum vor. Nach einem Film über Hohenschönhausen, die heutige Gedenkstätte, in der Schönherz nach ihrer Verhaftung inhaftiert war, zeigte die vom System zu Unrecht Verfolgte einen hautnahen Einblick in das System der DDR, die allgegenwärtige Überwachung durch die Stasi sowie in das unvorhersehbare Schicksal politischer Häftlinge. „Plötzlich standen eines Morgens zwölf Stasi-Mitarbeiter vor meinem Bett“, machte Schönherz auf die überfallartige Veränderung ihres Lebens aufmerksam, die sie zu einer „Klärung eines Sachverhalts“ mitnahmen. „Dass die Klärung mehrere Jahre dauern würde, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar.“

Von der Fernsehsprecherin zum Staatsfeind Nr. 1

Schon in den ersten Minuten fesselte Schönherz mit diesen Worten ihr junges Publikum, welches zu diesem Zeitpunkt kaum erahnen konnte, wie tiefgreifend die folgenden Erlebnisse sein würden. Mit eindringlichen Worten und bewegenden Schilderungen nahm Schönherz die Zuhörerschaft mit auf eine Reise in die Zeit der DDR-Diktatur, in der sie von einer bekannten und anerkannten Fernsehsprecherin und Moderatorin zahlreicher Großereignisse zum Staatsfeind Nr. 1 wurde, weil sie auf einer Urlaubsreise nach Ungarn Informationen über eine Ausreise in die BRD einholen wollte. Noch bevor sie mit ihren Kindern wieder in der Unterkunft ankam, waren ihr Zimmer und ihre Sachen durchwühlt. Bei ihrer Rückkehr wartete bereits ein Mann an der Gangway, der „nach Stasi roch“. Ihr Haus wurde in ihrer Abwesenheit kontrolliert, sie und ihre Familie dauerhaft überwacht und eines Morgens, sie dachte, ihre Kinder kämen noch einmal ins Schlafzimmer, wurde sie verhaftet.

Schönherz berichtete von den bedrückenden Vorgängen der Verhaftung, des Verhörs, den abstoßenden Haftbedingungen in den berüchtigten (Untersuchungs-)Gefängnissen Berlin-Hohenschönhausen und Hoheneck im Erzgebirge, wo sie neben psychischer Folter auch der Ungewissheit ausgesetzt war, was mit ihren beiden Kindern (11 und 12 Jahre) geschehen war. Besonders erschütternd für die junge Zuhörerschaft war die Erkenntnis, dass die Stasi sogar „Zellenspione“ einsetzte, was Schönherz durch einen Trick selbst herausfinden musste. „Wenn sie mit einer Mörderin in Hoheneck eingesperrt sind, die ihre Kinder getötet hatte und diese als Bulette ihrem Mann aus Rache zum Essen vorgesetzt hat, dann schlafen sie erst mal unruhig. Man wollte uns Politischen (Anm. Häftlingen) zeigen, wohin wir gehören.“

Nach der Haft: Neuanfang beim Bayerischen Rundfunk

Nach mehreren Jahren Haft wurde Edda Schönherz in „das große Gefängnis DDR“ entlassen und durch eine Anstellung bei der Caritas der direkten Schikane des Systems entzogen. Schließlich wurde sie durch Verhandlungen des DDR-Regierungsanwalts Vogel von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft – zu Unrecht, wie Schönherz sagt, denn sie habe ihre Strafe ja abgesessen. Nach Aussagen Vogels habe die DDR sich lediglich ihre Ausbildung vergüten lassen und wolle sie nie wieder auf einem Bildschirm sehen. Gemeinsam mit ihren Kindern, welche während Schönherz‘ Inhaftierung in der Obhut der Großeltern im eigenen Haus bleiben durften, gelang der Neuanfang im Westen beim Bayerischen Rundfunk.

Seit vielen Jahren tritt sie nun als Zeitzeugin auf und engagiert sich besonders in der Bildungsarbeit mit Jugendlichen, auch in Hohenschönhausen. Ihr zentrales Anliegen: Die Tragweite von Freiheit und Demokratie bewusst zu machen und deren Werte weiterhin zu ehren, sie nicht als selbstverständlich hinzunehmen und sich dafür zu interessieren und einzusetzen.

„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“ (Edda Schönherz)

Damit appellierte sie vor allem an die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer, sich aktiv mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen - gerade in Zeiten politischen Wandels.

Am Ende ihres Vortrags stellte Edda Schönherz zudem ihr selbst verfasstes Buch „Die Solistin“ vor, in dem sie ihre Lebensgeschichte detailliert beschreibt.  Für die Schulgemeinde bedankte sich Herr Kohl bei Frau Schönherz, dass „die Schülerinnen und Schülern auch mit den Füßen abgestimmt hätten, weil sie noch zwanzig Minuten nach Unterrichtsschluss gespannt Schönherz’ Ausführungen gefolgt seien.“ Ein langanhaltender Applaus und die spürbare Betroffenheit im Publikum vermittelten die Wirkung ihres Vortrags. Zudem zeigten sich die Schülerinnen und Schüler beeindruckt von der Stärke und Offenheit, mit der Edda Schönherz über ihre prägenden Erlebnisse sprach.

„Das Zeitzeugengespräch bot nicht nur einen authentischen Einblick in das Leben in der DDR, sondern auch eine wertvolle Grundlage, um das Verständnis und die Bedeutung demokratischer Werte besser zu verstehen und weiterhin zu schätzen“, kommentiert Marie Schütz als angehende Abiturientin den Vortrag im Anschluss an die Veranstaltung.

 

Text: Marie Schütz und Rene-Andre Kohl

Bilder: Thimo Maase

 

01         Edda Schönherz während des Zeitzeugengesprächs

02        Schulleiterin Isabel Herbert (links im Bild) mit Edda Schönherz

03        Organisator Rene-Andre Kohl mit Edda Schönherz

04        Autorgrammkarte von Edda Schönherz in jungen Jahren

05-07  weitere Impressionen während des Vortrags an der Eduard-Stieler-Schule

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