Tschüss Frankreich, Hallo Deutschland

Eduard-Stieler-Schule startet Azubi-Austausch

Schüleraustausch kennst du von der Realschule oder dem Gymnasium. Dass auch während der Ausbildung von der Berufsschule ein solches Angebot gemacht wird, ist ungewöhnlich. Die Eduard-Stieler-Schule geht in dieser Hinsicht neue Wege und hat ein Pilotprojekt gestartet. Acht Friseur-Azubis aus Frankreich waren gerade für drei Wochen in Fulda – im März fahren dann Azubis aus Fulda zum Gegenbesuch in die Gemeinde Chasseneuil südwestlich von Paris.

Ein wenig zurückhaltend wirken die 16-jährigen Friseur-Azubis Anaëlle Poiroux und Alison Torsac aus Südfrankreich, als sie von ihrem Austausch erzählen. Gefördert wurde der vom Deutsch-Französischen Sekretariat, das seit 1980 Gruppenaustausche in der beruflichen Erstausbildung und Weiterbildung zwischen Deutschland und Frankreich organisiert. Insgesamt sechs Betriebe aus der Region Fulda machen mit, erklärt Anke Bischof, Abteilungsleiterin im Bereich Körperpflege der Eduard-Stieler-Schule, die das Projekt zusammen mit Joachim Jost koordiniert. „Ich wollte wissen, wie die Arbeit in einem deutschen Salon ist und sehen, wo die Unterschiede zu Frankreich liegen, sowie neue Produkte und Techniken entdecken“, erklärt die Französin Anaëlle, die für drei Wochen in der Fuldaer Haargalerie arbeitete. Und hat das geklappt? Haben sich ihre Erwartungen an den Austausch erfüllt? Sicher ist: Unterschiede gibt es eine Menge.

Für insgesamt acht französische Friseur-Azubis aus Chasseneuil hieß es Ende November: Tschüss Frankreich, hallo Deutschland. In drei Wochen haben sie eine für sie fremde Kultur kennengelernt und erfahren, wie die Ausbildung in Deutschland abläuft. Eins ist den Französinnen sofort aufgefallen. „Die Deutschen essen viel mehr als wir“, stellt Alison schmunzelnd fest. Sie arbeitete im Salon Weber & Weber in Künzell-Pilgerzell. Auch in der Berufsschule, so hat sie festgestellt, wird zwischendurch gegessen und getrunken – ein absolutes No-go in Frankreich. „Bei uns im Internat sind die Mahlzeiten streng getaktet.“ Es gibt Frühstück, Mittag- und Abendessen, dazwischen nichts.

Internat? Ja, richtig, in Frankreich sind die Azubis im Internat untergebracht. Hierzulande lebten sie in einer Jugendherberge und am Wochenende in den Gastfamilien. Während deutsche Azubis drei Jahre lang überwiegend im Friseursalon verbringen und nur ein- oder zweimal pro Woche Unterricht in der Berufsschule haben, gehen Anaëlle und Alison zwei Jahre lang nur in die Schule. „Dafür machen wir Praktika, pro Jahr zweimal drei Wochen“, erklärt Anaëlle. In der Schule gibt es auch einen sogenannten „pädagogischen Salon“. Hier setzen die beiden die Theorie in die Praxis um – rund vier Stunden jede Woche. Da werden sie auf echte Kunden losgelassen und können zeigen, was sie drauf haben. Nach ihrer zweijährigen Ausbildung sind sie genauso fit im Haareschneiden wie ihre deutschen Kolleginnen nach drei Jahren, wie Diana Weber, Inhaberin der Künzeller Salons Weber & Weber, bestätigt. „Ich war echt baff, was die Französinnen schon alles können. Sie sind sehr gut ausgebildet.“

In Frankreich beschränkt sich die Ausbildung aufs Haareschneiden. „Hier in Deutschland kümmern wir uns auch um Maniküre und Make-up“, sagt Anaëlle. Augenbrauen gezupft und Wimpern gefärbt habe sie vorher noch nie. „Ich fand das echt super, sowas mal  machen zu können.“ Nur mit der Sprache hat’s etwas gehapert.

Wobei sie die Basics in Deutsch können müssten. In der ersten Woche haben sie zusammen mit ihren deutschen Austauschschülerinnen einen „Tandem-Sprachkurs“ gemacht. Bei so einem Kurs bringen sich zwei Personen mit unterschiedlicher Muttersprache gegenseitig die jeweils fremde Sprache bei. Insgesamt hat der Kurs 20 Stunden gedauert. „Trotzdem ist die Sprache ein bisschen kompliziert. Aber Englisch kann ich ganz gut“, erklärt Anaëlle. Für die Kunden der Haargalerie kein Problem. Sie fanden den Austausch super, wie Azubi Lena Schleicher berichtet. „Einige haben sich sogar auf Französisch mit ihr unterhalten. Ich bin echt gespannt, was mich dann in Frankreich erwartet.“ Auch Lenas Vorgesetzte Claudia Beck kann nur Gutes erzählen. „Das war für uns auf jeden Fall eine Bereicherung. Wenn die Eduard-Stieler-Schule das nochmal anbietet, werden wir sicher wieder mitmachen.“

Diana Weber, Inhaberin des Künzeller Salons Weber & Weber, findet’s genauso klasse. Weber hat sich richtig ins Zeug gelegt, damit Alison in Fulda jede Menge Spaß hat. Sie waren essen im Esperanto, eislaufen, bowlen, auf dem Weihnachtsmarkt. „Ich war schon total begeistert, als ich das erste Mal vom Austausch gehört habe“, sagt Weber. Das sei eine riesengroße Chance, den eigenen Horizont zu erweitern. „Es bringt mir auch viel, wenn meine Azubis mal rauskommen und was anderes sehen.“ Allerdings sollten die Französinnen beim nächsten Mal besser Deutsch sprechen können, meint Weber. „Die Sprache war schon ab und zu ein Problem. Ich empfehle meinen Azubis deshalb, bevor sie im März nach Frankreich gehen: Lernt die Sprache, zumindest die Grundlagen.“

Unterm Strich ziehen alle ein positives Fazit. Alison und Anaëlle sagen: „Wir würden den Austausch jedem empfehlen. Unsere Erwartungen haben sich voll und ganz erfüllt.“ Jörg Demuth, Leiter der Eduard-Stieler-Schule, dürfte sich darüber riesig freuen. Immerhin hat die Schule mit der Aktion Neuland betreten und erhofft sich „Impulse für weitere Kontakte in der Zukunft“. Man sei offen für alle Ausbildungsbereiche.

mit freundlicher Genehmigung von move36

Fotos: Toni Spangenberg, Diana Weber.

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